Die Kunst des analogen Aufnehmens

Die meisten Studios setzen heutzutage auf digitale Recorder. Doch seit einigen Jahren erfreut sich das analoge Tonband wieder einer gewissen Beliebtheit, wenn auch nur in einem sehr kleinen Rahmen: Weltweit haben verschiedene Studios die klanglichen Vorteile des analogen Aufnehmens auf Tonband gegenüber der Digital-Aufnahme wieder erkannt. Alte Bandmaschinen, die zwischenzeitlich in den Kellern verstaubten, wurden instand gesetzt und sind nun wieder im aktiven Einsatz. Idealerweise werden von den Masterbändern Vinyl-LP’s gepresst: So bleibt vom analogen Klang natürlich am meisten erhalten. Aber auch wenn das Endprodukt digital – wie beispielsweise eine CD – sein sollte, kann dies dank dem analogen Master klanglich profitieren.

Wie beim digitalen ist auch beim analogen Aufnehmen eine sehr gute Signalaussteuerung das A und O für eine gute Klangqualität. Während aber bei Digital-Recordern der ganze Rest quasi von selbst funktioniert und insbesondere die Nachbearbeitung am Computer sehr einfach ist, gibt es beim analogen Aufnehmen unweigerlich mehr Arbeit, vor allem auch beim Schneiden und zusammenfügen verschiedener Passagen.

In der heutigen Zeit gibt es auch im privaten Bereich Musik-Liebhaber, die dem Tonband nach wie vor die Treue halten oder es sogar gänzlich neu entdecken. Da auch ich zu jenem Kreis gehöre, nahm ich dies zum Anlass ein Thema rund ums analoge Aufnehmen mit Tonband zu schreiben. Als stolzer Besitzer einer Studer A807-VU beziehen sich die maschinenspezifischen Informationen natürlich auf jenes Gerät. Das Grundverfahren beim Aufnehmen ist aber bei jeder analogen Bandmaschine dasselbe.

Maschine und Material vorbereiten

Vor Beginn der analogen Aufnahme-Session sollte das notwendige Material bereitgestellt werden. Neben der eigentlichen Bandmaschine sind dies natürlich das Tonband, das Vor- und Nachlaufband, ein Klebeband-Spender, einige Wattestäbchen und Isopropanol. Sofern die Bandmaschine keine integrierte Bandschere hat, braucht es eine Rasierklinge und eine Klebelehre.

Der Line-In der Bandmaschine wird idealerweise mit dem Tape-Out des Verstärkers verbunden. Ist kein Tape-Out sondern lediglich ein zweiter geregelter Line-Out vorhanden, ist dieser zu wählen. Ebenso verbindet man die Bandmaschine vom Line-Out mit einem Line-In des Verstärkers. Bei Inkompatibilitäten der Anschlüsse (Cinch – XLR) helfen entsprechende Adapter.

Reinigung
Eine Bandmaschine bedarf einer regelmässigen Reinigung, vor allem auch wenn aufgenommen werden soll. Die ins Isopropanol getauchten Wattestäbchen unbedingt erst abwischen – damit nichts in die Maschine tropft – und dann die bandführenden Elemente reinigen. Indem man die Play-Taste gedrückt hält, dreht sich die Capstan-Rolle und diese kann so sehr einfach gereinigt werden. Achtung: Die Andruckrolle nur mit trockenen Wattestäbchen reinigen, denn Isopropanol greift deren Gummischicht an! Die Tonköpfe sind ebenfalls mit Isopropanol getränkten Wattestäbchen zu reinigen, hierbei sollten aber nur horizontale Wischbewegungen gemacht werden.

Tonband vorbereiten

Meine A807 ist auf das Tonband SM 468 eingemessen. Es ist in Sachen Klangqualität, Wickeleigenschaften, Langzeitstabilität und Archivierbarkeit ein sehr ausgewogenes Studiomaster-Tonband. Meine Tonbänder der Marke RMG beziehe ich bei Darklab Magnetics in Deutschland. Für die professionellen Studer-Bandmaschinen sollte die Studiomaster-Linie immer die erste Wahl sein. Bei Revox Bandmaschinen kann auch das LPR 35 verwendet werden – wobei dieses klanglich natürlich nicht ganz an die SM-Bänder heranreicht. Da Tonbänder heutzutage recht teuer sind, empfehle ich den Erwerb von sogenannten Rohwickeln auf einem NAB-Kern. Diese Rohwickel sind nur halb so teuer wie die Varianten mit Aluspule. Mittels Adapter können NAB-Rohwickel problemlos auf Bandtellern platziert werden. Der Nachteil dieses Adapters ist, dass die Rohwickel nicht arretiert sind und es dadurch beim spulen zu einem höheren Geräuschpegel kommt. Beim Aufnehmen oder wiedergeben fällt dies allerdings nicht ins Gewicht. Beim ersten Modell der A807-VU (MK-I) können Spulen- oder Rohwickel in Standardgrösse mit rund 760m Studiomaster-Tonband verwendet werden. Bei Verwendung von Rohwickeln ist es wichtig, dass diese nach bespielen auf eine Aluspule umgespult und so gelagert werden.

Vorspannband
Nach dem Auflegen des Bandes und entfernen des Klebers machen wir den ersten Schrägschnitt mit der integrierten Bandschere der A807. Dabei empfiehlt es sich, die Andruckrolle nach oben zu drücken, damit das Band gut anliegt. Ohne integrierte Bandschere bleibt einem die Möglichkeit via Klebelehre und Rasierklinge oder mit einer antimagnetischen Bandschere. Danach legt man das eine Ende auf die Klebelehre. Nun nimmt man das Vorspannband und schneidet ebenfalls mit der Bandschere nach ca. 2.5 bis 3m ab. Das Vorspannband kommt jetzt auch auf die Klebelehre und wird bündig an das bereitliegende Tonband geschoben – ein Spalt ist unbedingt zu vermeiden. Mit dem Klebeband-Spender können die beiden Bänder problemlos verbunden werden.

Eine Anmerkung zum Vorspannband: Dieses Band gibt es in verschiedenen Farben in Abhängigkeit der jeweiligen Geschwindigkeit (19.5 / 38 / 76cm pro s) und dea Aufnahmetyps (Stereo / Mono). Der Einfachheit halber kann man auch ein gelbes Vorspannband nehmen, denn dies gilt für alle Geschwindigkeiten, Mono und Stereo, Anfang, Trennung und Ende. Sinnvollerweise sollte man in diesem Fall auf dem Vorspannband oder dem Archivkarton die notwendigen Informationen vermerken.

Nun kann das Band eingefädelt werden. Es empfiehlt sich, das Tonband nicht gleich von Anfang an zu bespielen, sondern es zumindest so weit rechts aufzuwickeln, bis das Vorspannband nicht mehr sichtbar ist. Danach setzen wir mit dem Reset-Knopf den Bandzähler auf Null zurück.

Wahl der Geschwindigkeit und Bandverlängerung

Als Geschwindigkeit sollte 38cm/s gewählt werden, da hiermit die besten klanglichen Ergebnisse erzielt werden können. Die geringere Geschwindigkeit von 19cm/s bietet dank Dolby HX-Pro (verbesserte Höhen-Aussteuerung – Standard bei der Studer A807) auch recht guten Klang. Da wir uns aber im High End Bereich bewegen, ist 38cm/s ganz klar die erste Wahl – ausser wenn man vielleicht ein Hörspiel oder eine Diskussionssendung aufzeichnet. Die auch hin und wieder anzutreffende Geschwindigkeit von 76cm/s bieten nur wenige Maschinen. Dessen klanglichen Vorteile dürften kaum hörbar sein und letztendlich wird so die Kapazität des sowieso schon teuren Tonbands bei rund 760m Länge von 33 Minuten auf bescheidene und nicht mehr brauchbare 16.5 Minuten reduziert.

Bei Bedarf lässt sich das Band auch problemlos am Ende verlängern, so dass ein paar Minuten mehr Aufnahmekapazität zur  Verfügung stehen. Soll eine Live-Übertragung via Radio aufgezeichnet werden, ist es angebracht, die allenfalls notwendige Bandverlängerung vorher vorzubereiten und die Pausen für einen allfälligen Bandwechsel zu nutzen. Wichtig ist bei einer Bandverlängerung auch, dass die Schnittstelle wieder sauber, d.h. ohne Spalt, zusammengeklebt wird: Nur so kann man den Schnitt nicht hören. Die schon erwähnte Klebelehre leistet hierbei gute Dienste. Ausserdem darf das Band natürlich nur so weit verlängert werden, wie es auf der Maschine bzw. danach im Archivkarton Platz hat – ansonsten wird man am Ende der Aufnahme wieder unweigerlich kürzen und umspulen müssen.

Einpegelung

Nun können wir mit der Einpegelung beginnen: Der Eingang des Verstärkers muss auf die aufzunehmende Quelle geschaltet werden. Die Bandmaschine mit beiden Kanälen auf „Input“ stellen und zudem „Line“ aktivieren.

Verstärker mit Tape-Out
Wenn die Bandmaschine an den Tape-Out des Verstärkers angeschlossen ist, sollte man beim Aufdrehen des Monitor-Lautstärkereglers der A807 bereits etwas hören, sofern die Quelle spielt. Der Monitor-Regler muss dabei natürlich auf „Input“ gestellt sein.

Verstärker ohne Tape-Out
Falls kein Tape-Out zur Verfügung steht und die Bandmaschine an einem geregelten Ausgang des Verstärkers angeschlossen wurde, so muss wie folgt verfahren werden:

  • Vollverstärker: Hier bleibt nichts anderes übrig, als die Lautsprecher-Kabel auszustecken.
  • Vor- und Endverstärker-Kombination: Endverstärker stumm oder ausschalten.

Nun muss der Lautstärke-Regler des Verstärkers mindestens in die 12 Uhr Position gedreht werden. Danach dreht man langsam höher – in der Regel bis etwa zur 14 oder 15 Uhr Position. Dies ist notwendig, damit am geregelten Ausgang eine vergleichbare Spannung wie bei einem Tape-Out anliegt. Es versteht sich bei einer so hohen Lautstärke-Einstellung auch von selbst, warum entweder die Lautsprecher vorher ausgesteckt werden müssen oder die Endstufe stumm geschaltet werden muss.

Mit dem Monitorlautsprecher der A807 oder einem angeschlossenen Kopfhörer und dem Monitor-Regler auf „Input“ müsste man jetzt bereits etwas hören, sofern die Quelle spielt, alles korrekt angeschlossen und eingestellt wurde.

Einpegelung
Das obige Bild zeigt die VU-Meter der A807 im Wiedergabe-Modus. Mit deren Hilfe erfolgt nun die Einpegelung. Um auch kurzzeitige Pegelspitzen zu erkennen, die mit den VU-Metern aufgrund der Dauer eines Sekundenbruchteils nicht wahrnehmbar sind, hat die Studer A807 zusätzlich drei rote LED’s. Diese LED’s helfen beim erkennen jener erwähnten Pegelspitzen.

Es ist sehr wichtig, möglichst laut, aber auch nicht zu laut aufzunehmen: Bei zu geringer Lautstärke verliert man an Auflösung und bei zu hoher Lautstärke wird das Signal übersteuert. In einem gewissen Rahmen ist die Übersteuerung beim analogen Aufnehmen allerdings weniger tragisch, als beim digitalen Aufnehmen. So darf die rote +6dB LED im Analog-Meter durchaus gelegentlich kurz aufleuchten, lauter sollte es dann aber nicht mehr werden und permanent sollten die Übersteuerungs-LEDs auch nicht leuchten.

Unabhängig davon, ob man das aufzunehmende Album kennt oder nicht, empfiehlt es sich, verschiedene Passagen – leise wie auch laute – anzuhören, damit man eine optimale Einpegelung erreichen kann. DIe Einpegelung geschieht wie folgt:

Bei Anschluss an Tape-Out
Beim Tape-Out sollte in der Regel bereits eine ideale Ausgangsspannung anliegen. Bei Bedarf kann man diese dennoch nach unten oder oben korrigieren. Dazu aktiviert man auf der Bandmaschine bei beiden Kanälen „Uncal“ und stellt mit beiden „Line Level“ Reglern die ideale Lautstärke ein.

Bei Anschluss an geregeltem Line-Out
Hier erfolgt die Regelung mittels Lautstärke-Regler des Verstärkers.

Einpegeln – bitte stets beachten
In der Regel liegen die idealsten messtechnischen Werte und dadurch die besten klanglichen Eigenschaften von Lautstärker-Reglern im oberen Drittel ihres Einstellungsbereichs. Eine verstärkerseitige Ausnahme bilden hierbei Lautstärke-Steller mit Widerstands-Netzwerken: Diese bieten über den gesamten Einstellungsbereich ideale Werte. Allerdings sind sie aufgrund ihrer Machart sehr teuer und daher nur in Verstärkern der absoluten Spitzenklasse anzutreffen.

Testaufnahme

Nach der erfolgreichen Einpegelung ist es nun an der Zeit für die erste Testaufnahme. Wir starten das Quellgerät und drücken direkt danach die Play- und Record-Taste der Bandmaschine gleichzeitig. Dadurch startet die Aufnahme. Um zu prüfen, ob die Bandmaschine korrekt aufzeichnet, reicht es, deren Monitor-Regler auf „Output“ zu stellen. So hört man hört direkt, was aufgenommen wurde.

Will man das Ergebnis in Bezug auf die Qualität mit der Quelle vergleichen, reicht diese Funktion jedoch nicht aus: In diesem Fall sollte man zuerst ein paar Minuten aufnehmen. Nach Beendigung der Testaufnahme mit „Stop“ spulen wir an den Anfang des Bandes zurück. Mit der Funktion „Z-Loc“ übernimmt die Studer A807 nicht nur das Zurückspulen, sondern auch das rechtzeitige Stoppen bei Zählerstellung Null – vorausgesetzt man hat am Anfang nicht vergessen, den Bandzähler zurückzusetzen. Nun stellt man die Bandmaschine wieder auf „Repro“. Sofern man über den Lautstärkeregler des Verstärkers eingepegelt hat, notiert man sich dessen Position. Danach dreht man diesen in jedem Fall auf normale Zimmerlautstärke zurück. Nun kann der Endverstärker wieder aktiviert bzw. die Lautsprecher wieder angeschlossen werden. Um einen Direktvergleich durchzuführen, setzen wir die Quelle ebenfalls in Ausgangsposition und starten danach sowohl die Quelle wie auch die Bandmaschine mit „Play“.

Mit dem Eingangswählschalter des Verstärkers kann nun zwischen den beiden Geräten hin und her geschaltet werden. Im Idealfall wird während dem Umschalten keine Änderung der Lautstärke wahrgenommen – dann hat man optimal eingepegelt. Auch bei minimalen Lautstärke-Unterschieden, kann man von einer grundsätzlich gelungenen Einpegelung und einer dementsprechend guten Aufnahme ausgehen. Sind die Lautstärke-Unterschiede jedoch zu gross, so muss die Einpegelung korrigiert und eine erneute Testaufnahme durchgeführt werden.

Aufnahme, Endkontrolle und Lagerung

Die Testaufnahme ist geglückt? In dem Fall können wir beide Kanäle der Bandmaschine wieder auf „Input“ stellen und das Band mit „Z-Loc“ an den Anfang zurückspulen. Sofern man über den Lautstärkeregler des Verstärkers eingepegelt hat, stellt man diesen wieder auf die vorhin notierte Position. Dabei bitte nicht vergessen, den Endverstärker stumm zu schalten oder die Lautsprecher auszustecken. Die Quelle ebenfalls wieder zurücksetzen und den Eingang des Verstärkers auf die Quelle einstellen. Jetzt kann mit der erneuten Aufnahme begonnen werden.

Nach Beendigung der Aufnahme sollte auch am Ende des Bandes ein etwa 2.5 bis 3m langes Nachlaufband angebracht werden. Hierbei wird gleich verfahren wie beim Vorspannband. Sofern noch Tonband übrig bleibt, kann dies noch vorweg abgeschnitten und als Reserve auf eine separate Aluspule oder einen AEG-Wickelkern umgespult werden.

Wenn vorher alles richtig gemacht wurde, sollte man nun im Besitze einer selbst gemachten und einwandfreien Tonband-Aufnahme sein. Bei Verwendung einer in Top-Zustand befindlichen Studio-Bandmaschine vom Schlage einer Studer, Studiomaster-Tonband, einwandfreier Einpegelung und einer entsprechend guten Stereoanlage sollte bei der Endkontrolle so gut wie kein Qualitätsunterschied zum Original feststellbar sein.

Um diese hochwertige Aufnahme auch lange zu erhalten, ist neben einer regelmässig zu reinigenden Bandmaschine auch die korrekte Lagerung des Tonbands notwendig: Ich empfehle dazu grundsätzlich die Verwendung von Aluspulen und die Tonband-Lagerung im vorgespulten Zustand. Das Band sollte dann mindestens einmal im Jahr zurückgespult werden, um Kopiereffekten – aufgrund der Magnetisierung des Tonbands – vorzubeugen. Es versteht sich von selbst, dass man neben den eigentlichen Musik-Angaben auch die technischen Informationen der Aufnahme auf dem Archivkarton vermerken sollte. Dazu gehören Bandtyp, Geschwindigkeit, Entzerrung und Trennspur.

Viel Erfolg und vor allem viel Spass beim analogen Aufnehmen!